Herr, dein Wille ist mein Wille!

Ich darf eine Frau kennen, nennen wir sie einfach Anna-Maria, die nach einem tiefgreifenden Bekehrungserlebnis ihr ganzes Können und Wollen Gott zur Verfügung gestellt hat. Ihr Lebensmotto entspricht nun dieser Überschrift: Herr, dein Wille ist mein Wille! Sie hat es gelernt, den Impulsen des Hl. Geistes zu vertrauen, und Gott kann sie dadurch in Situationen hineinführen, in denen er sie benötigt, in die sie sich aber von sich aus niemals hineinbegeben würde. Ihre Erfahrung ist dabei, dass jene Impulse, die von Gott kommen, sich ganz deutlich von ihren eigenen Überlegungen und Wünschen unterscheiden. Das gibt ihr eine große innere Sicherheit für ihr Handeln.

Diesen Impulsen zu folgen erfordert jedoch oft eine Überwindung und führt nicht zu selten zu einem inneren Ringen mit Gott, wobei sie sich letzten Endes aber immer bemüht, dem Willen Gottes zu entsprechen. Rückblickend darf sie dann immer wieder erkennen, wofür Gott sie eingesetzt hat.

Sie hat mir vor kurzem neben anderem folgende Erfahrung erzählt:

Sie war gerade mit dem Auto auf dem Heimweg, als in ihr ein ganz deutlicher Impuls war, in einen bestimmten Bioladen zu gehen. Sie hatte ursprünglich überhaupt nicht vor gehabt, dort einzukaufen, aber der Impuls war so weit weg von ihrem eigenen Wollen, dass sie den starken Eindruck hatte, ihm entsprechen zu müssen. Sie ging also in den betreffenden Bioladen und kaufte eine Kleinigkeit.

Als sie bei der Kasse stand, hörte sie, wie ein vor ihr stehender Mann einer anderen Person gerade erzählte, dass es seiner Frau gesundheitlich überhaupt nicht gut geht.

Plötzlich hatte Anna-Maria das starke Gefühl, sie solle diesen Mann fragen, ob sie für seine Frau beten könne. Sie schob diesen Gedanken aber rasch beiseite, weil ihr das in dieser Situation, neben all den Menschen, überhaupt nicht passend erschien. Doch es kam nochmals ein Impuls: „Frag den Mann!“ Das verunsicherte sie völlig, und sie begann innerlich Gründe zu suchen, warum das in dieser Situation keine gute Idee wäre.  Und zum dritten Mal kam dieser Impuls, in einer ruhigen, liebevollen, aber bestimmten Weise: „Frag den Mann!!“ Da spürte Anna-Maria, dass sie diesem Impuls gehorchen sollte.

Der Mann war zwischenzeitlich Richtung Ausgang gegangen und stand nun dort und redete mit einem anderen Mann. Anna-Maria wusste nicht, wie sie sich in dieser Situation verhalten sollte. Sie hatte den Eindruck, sie solle dieses Gespräch nicht stören und suchte innerlich nach einer Möglichkeit, um Zeit zu gewinnen. Im stillen Gebet sagte sie zu Gott, dass sie noch rasch in die benachbarte Bäckerei gehen würde. Würde dieser Mann anschließend noch immer dort stehen und alleine sein, dann würde sie ihn anreden und fragen.

In der Bäckerei waren viele Leute und es dauerte eine Weile, bis sie ihren Einkauf erledigen konnte. Durch die Auslagenscheibe konnte sie dabei gut beobachten, dass die beiden Männer immer noch miteinander redeten. Gerade als sie die Bäckerei verlassen hatte, ging der zweite Mann weg. Sie wusste dadurch, dass nun die Möglichkeit bestand, diesen inneren Auftag zu erfüllen. Sie ging mit Herzklopfen zurück zu dem Bioladen, um den für sie wildfremden Mann anzureden und ihn zu fragen, ob sie für seine kranke Frau beten dürfe.

Der Mann reagierte überraschend positiv und so vereinbarten sie einen Zeitpunkt, an dem Anna-Maria zu ihm und zu seiner Frau kommen sollte.

Bei ihrem Besuch zeigte sich dann, dass dessen Frau Leukämie in der letzten Phase hatte, mit großflächigen und trotz Morphium äußerst schmerzhaften offenen Wunden. Wie sich herausstellte, war die Ehe zusätzlich durch eine vergangene Schuld schwer belastet. Über das Beten begannen dann die seelischen Wunden zu heilen und in den nächsten Tagen führte dies zu einer gegenseitigen Vergebung und Versöhnung zwischen diesem Ehepaar. Ein paar Tage später wurde diese Frau dann getauft und nach nicht allzu langer Zeit konnte sie dann im Frieden und versöhnt sterben.

Schauen wir uns diese Situation aus der Perspektive Gottes an:

Gott will alle Menschen retten, wobei die zeitgerechte Versöhnung und Vergebung von Schuld vor unserem Tod, im Sinne des „Vater unser“, eine ganz zentrale Bedeutung zu haben scheint.

Wegen unserer Freiheit drängt sich uns Gott nicht auf, auch wenn es wichtig wäre. Das sind ja auch die Erfahrungen der Menschheit seit allen Zeiten. Er konnte daher diese Frau nicht von sich aus zur Versöhnung bewegen, es wäre eine Manipulation ihrer Freiheit gewesen. Er konnte aber über den „Umweg“ von Anna-Maria erreichen, dass der Frau durch das Beten die Möglichkeit eröffnet wurde, sich mit ihrem Mann zu versöhnen.

Anna-Maria ist nicht nur bereit gewesen, sich von Gott im Alltag führen zu lassen, sondern sie hatte auch schon mit der Art der Führung durch den Hl. Geist Erfahrungen machen dürfen. Sie war dadurch in der Lage, trotz ihrer Angst und Unsicherheit Schritte zu tun, die sie von alleine niemals gemacht hätte. Sie hatte zur Gänze den Impulsen Gottes vertraut. Auf diese Weise kann Gott Anna-Maria für seine Interessen einsetze, die immer im Heil der Menschen besteht.

 

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